Ein Glücksfall mit Gitarre

Geschrieben in GymBo aktuell am
Russischer Austauschschüler unterstützt Flüchtlingskinder aus der Ukraine

Von Axel Roll, aus der WN vom 14 .6.2022. 

Bildunterschrift: Danila Zhuravlev (2.v.l.) aus Moskau unterstützt das DaZ-Team am Gymnasium Borghorst mit Schulleiter Dr. André Wenning, Meike Ohrndorf und Carolin Lammers (v.l.). Barbara Schonschor vom Jugendmigrationsdienst und Fachdienstleiterin Nadine Rath koordinieren die Integrationsarbeit in der ganzen Stadt.

Wenn Danila Zhuravlev als Austauschschüler aus Moskau mit seiner Gitarre vor den ukrainischen Flüchtlingskindern Lieder aus seiner Heimat singt,  ist das für den 18-Jährigen sein Beitrag zur Völkerverständigung. Der trotz des Krieges zwischen Russland und der Ukraine ankommt. Die 16 ausländischen Jungen und Mädchen, die derzeit täglich im Borghorster Gymnasium in erster Linie Deutsch büffeln, haben Danila nämlich längst nicht nur als Dolmetscher, sondern auch als ihren Helfer akzeptiert. 
Für Carolin Lammers und Meike Ohrndorf, die am GymBo die Klasse Deutsch-als-Zweitsprache, kurz DaZ genannt, leiten, ist der 18-Jährige ein  totaler Glücksfall“. Jeden Montag ist Danila für drei Stunden mit im Unterricht und dolmetscht, vermittelt, erklärt – oder singt ukrainische Lieder.
Die DaZ-Klasse ist offen für alle ausländischen Kinder und Jugendlichen, die das Schicksal nach Steinfurt geführt hat. „Im Augenblick sind das  natürlich in überwiegender Mehrzahl Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine“, erzählt Nadine Rath als Fachdienstleiterin für Bildung, Jugend und
Sport im Rathaus. Als Koordinatorin in der Verwaltung weiß sie, dass mittlerweile jede Schule der Stadt Schüler aus den Kriegsgebieten betreut.
Keine leichte Aufgabe, wie Danila Zhuravlev aus den Gesprächen mit seinen Schützlingen weiß: „Sie haben aufgrund ihrer neuen Lebenssituation natürlich viel Stress und sind deswegen nicht so konzentriert.“
Meike Ohrndorf und Carolin Lammers reagieren darauf mit angepassten Lernangeboten. Das Zweier-Team weiß, was es tut. Bei DaZ verfügt die Schule über große Erfahrung, wie Leiter Dr. André Wenning betont. Als Ende Februar der Krieg begann, da ahnte er schon: „Es kommt was auf uns zu.“
Schnell waren die Vorbereitungen getroffen, um die ukrainischen Jugendlichen zu betreuen. Eine Herausforderung stellt der Zustrom auch für die Stadtverwaltung dar, wie Nadine Rath betont. „An manchen Tagen wurden uns sechs oder sieben Kinder zugewiesen.“ Die konnten nicht, wie vor dem Ukrainekrieg, in den normalen Schulalltag integriert werden. Für sie sind die DaZ-Klassen bestens geeignet.
Danila Zhuravlev ist seit September in Steinfurt – als Austauschschüler am Arnoldinum. Er hat seit der fünften Klasse Deutsch und spricht mittlerweile akzentfrei. Er hört zu Hause in Moskau nicht nur viel deutsches Radio, er hat auch verschiedene Veranstaltungen des Goethe-Instituts besucht. Darum fühlte er sich auf seinen Deutschlandbesuch auch gut vorbereitet. „Durch den Unterricht habe ich so nebenbei einiges von der
deutschen Kultur vermittelt bekommen.“
Eigentlich müsste der 18-Jährige im Juli zurück nach Moskau. In Absprache mit seiner Familie möchte er aber in Deutschland bleiben und hier eine Ausbildung beginnen. Dass er im Augenblick ehrenamtlich in der DaZ-Klasse aushilft, daran ist Barbara Schonschor vom Jugendmigrationsdienst nicht ganz unschuldig. „Ich habe Barbara gefragt, ob ich irgendwo helfen kann“, erzählt Danila. Die Integrations-Expertin ließ ihre Kontakte spielen –
und wenig später war der Moskauer in der DaZ-Klasse des Gymnasiums Borghorst fest eingeplant. Zuvor hatte er schon dann und wann bei der Ausländerbehörde des Kreises Steinfurt als Dolmetscher ausgeholfen. Der 18-Jährige kann übrigens bei seinen Besuchen im Gymnasium auch eine Men ge lernen. „Ich möchte meine Ukrainisch-Kenntnisse verbessern.“ Die Unterschiede zum Russischen seien nicht so gewaltig. „Vielleicht
vergleichbar mit Deutsch und Niederländisch.“ Aber gerade wenn die Jugendlichen Ukrainisch sprächen, sei es für ihn manchmal schwer, alles zu verstehen.
Niemand weiß, wie lange die Kinder und Jugendlichen aus den Kriegsgebieten in Deutschland bleiben. Dr. André Wenning ist darum auch die langfristige Perspektive wichtig. „Wir müssen eine Parallel-Welt vermeiden.“ Darum sollen die Jungen und Mädchen, sobald sie sprachlich fit sind, in
die normalen Klassen des Gymnasiums gehen. Und durch Danila Zhuralevs Engagement haben sie in Sachen Völkerverständigung vielleicht auch das eine oder andere mitgenommen…
Danila Zhuravlev (2.v.l.) aus Moskau unterstützt das DaZ-Team am Gymnasium Borghorst mit Schulleiter Dr. André Wenning, Meike Ohrndorf und
Carolin Lammers (v.l.). Barbara Schonschor vom Jugendmigrationsdienst und Fachdienstleiterin Nadine Rath koordinieren die Integrationsarbeit
in der ganzen Stadt.

 

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