Ausgangslage und Zielformulierung
Bereits in den 1990er Jahren entwickelte das Gymnasium Borghorst – angeregt und teilweise unterstützt vom Landesprogramm „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule“ (GÖS), Rahmenprogramm 1988 – Ansätze zur Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern. Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit war die Studien- und Berufs-Ori-entierung (SBO), die speziell in der Jahrgangsstufe 12 in den SBOT (Studien- und Berufsorientierungstagen) Kontakt zu Organisationen, Verbänden und Unternehmen der Region aufnahm. Die Zusammenarbeit verfolgte das Ziel, originäre Praxisbegegnungen zu ermöglichen und den Schülerinnen und Schülern bei der schwierigen Frage der Berufsfindung Orientierungs- und Entscheidungshilfe zu geben. Die Rückmeldungen, die für dieses Programm von den Schülerinnen und Schülern eingingen, gaben den Verantwortlichen Recht. Im Laufe der Jahre wurde das SBO-Programm stetig erweitert und ausgefeilt und kann inzwischen auf eine 15jährige Erfolgsgeschichte zurück blicken.
Parallel zu diesem Entwicklungsstrang etablierte die Schule eine feste Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Steinfurt: zunächst in der Jahrgangsstufe 8, heute in der Jahrgangsstufe 7 wird auf freiwilliger Basis außerhalb des Unterrichts ein spezieller Computer-Tastschreibkurs für die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Borghorst angeboten. Dieses Qualifizierungsangebot nutzt mittlerweile mehr als 90 Prozent der Schülerschaft. Die Zusammenarbeit mit der VHS trug auch weitere Früchte z.B. durch Lesungen oder Vorträgen, die gelegentlich für Schülergruppen gemeinsam veranstaltet werden.
Diese guten Ansätze mit den positiven Erfahrungen, die darin gemacht werden konnten, motivierten die Schule, den roten Faden Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern zu stärken und als Baustein in das Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ einzufügen. Eine erste Zielformulierung erklärte die Absicht, durch fest vereinbarte Formen der Zusammenarbeit (z.B. Hospitationen, Praktika etc.) mit außerschulischen Partnern (VHS, FH, Universität, Unternehmen, Verbänden, sozialen Einrichtungen etc.) schulisches Lernen mit den Möglichkeiten unmittelbarer praktischer Erfahrung zu verbinden.
Entwicklung
Kurz vor dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ konnte die Schule, speziell die Fachschaft Sozialwissenschaften, an einem Projekt zum Ausbau der ökonomischen Anteile am sozialwissenschaftlichen Unterricht der Oberstufe mitwirken. In Zusammenarbeit mit der IHK Nordwestfalen in Münster, den Instituten für Ökonomische Bildung der Universitäten Oldenburg und Münster und weiteren fünf Gymnasien der Region wurde das Projekt PRAWIS: Praxiskontakte Wirtschaft – Wirtschaft in die Schule entwickelt und in Zusammenarbeit mit Unternehmen der Region in der schulischen Praxis erprobt. Letztlich mündete der Modellversuch, der von der Bertelsmann-Stiftung und dem Schulministerium gefördert wurde, erfolgreich in curriculare Vorgaben des Landes NRW: das Fach Sozialwissenschaften/Ökonomie ist inzwischen nach dem PRAWIS-Konzept in der Gymnasialen Oberstufe als Wahlfach eingeführt.
Die Erfahrung, welche die Schule mit diesem Modellversuch machen konnte, ermunterte dazu, auch in anderen Fächern neue Wege zu beschreiten.
Die Fachschaft Physik hatte für ihre Arbeit das Ziel formuliert, das Fach in der Oberstufe zu stärken und neben Biologie und Chemie (hier kommen seit Jahren regelmäßig Leistungskurse zustande) zu verankern. In sehr fruchtbaren Gesprächen mit der FH Münster, Abteilung Steinfurt konnte diese Absicht konkretisiert werden. Am 1. April 2004 unterzeichneten der Rektor der FH Münster, der Schulleiter des Gymnasiums Borghorst, der Dekan des Fachbereiches Physikalische Technik der FH und der Vorsitzende der Fachschaft Physik der Schule eine Kooperationsvereinbarung zwischen der FH Münster und dem Gymnasium Borghorst.
Die Vereinbarung soll „die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen dem Städtischen Gymnasium Borghorst und der Fachhochschule Münster, insbesondere den auf dem Campus in Steinfurt beheimateten technisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichen, auf eine neue Grundlage stellen. Dabei besteht das gemeinsame Ziel in einer Verbesserung der Entscheidungskompetenz von Schülerinnen und Schülern zur Studien- und Berufswahl. Durch die frühzeitige Information über Studien- und Berufsmöglichkeiten sowie eigenes Erleben soll eine fundierte Studienfachentscheidung ermöglicht werden. Beispielhaft für diese Zielrichtung werden die Fachschaft Physik und der Fachbereich Physikalische Technik neue Modelle für eine intensivere Zusammenarbeit entwickeln.“ Konkret wurde vereinbart, „in den Physikunterricht der Oberstufe unterrichtsintegrierte Praktika am Fachbereich Physikalische Technik einzuführen. Diese Praktika werden betreut durch fachliches Personal, durch studentische Mitarbeiter und durch Lehrer. Der Fachbereich Physikalische Technik bietet Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 außerdem die Möglichkeit an, Facharbeiten experi-mentell zu unterstützen. Ausgewählte Schülerinnen und Schüler erhalten zudem die Möglichkeit, mehrtägige praxisorientierte und gelenkte Berufspraktika in verschiedenen Laboren des Fachbereiches durchzuführen. Den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Borghorst werden über die oben genannten Angebote hinaus bedarfsgerechte und betreute Gruppenbesuchsprogramme mit experimentellem Anteil ermöglicht. Zusätzlich bietet der Fachbereich Physikalische Technik die Teilnahme an geeigneten Lehrveranstaltungen an.“
Gemäß dieser Vereinbarung fanden dann beispielsweise Experimentalpraktika für Schülerinnen und Schüler von Physikkursen der SII in der FH statt. In der Schule leisteten die Schülerinnen und Schüler die inhaltliche Vorbereitung auf die Versuche und ordneten sie in den physikalischen Kontext ein. An der Fachhochschule mussten sie sich dann in einem Kolloquium, das vom betreuenden Hochschullehrer in Anlehnung an die Studienpraxis zur Zulassung zum Praktikum durchgeführt wurde, bewähren, bevor sie die Experimente selber durchführen durften. Die Auswertung der Versuche (Versuchsprotokolle mit Auswertung der Messung) fand dann wieder im Schulunterricht statt. Auch Facharbeiten und Berufspraktika sind Beispiele für die intensive Kooperation zwischen Gymnasium Borghorst und FH Steinfurt.
Die Kooperationsvereinbarung erklärt abschließend, „die Zusammenarbeit im Rahmen der zunehmenden Kooperationsmöglichkeiten zwischen Schulen und Hochschulen auszubauen und im Sinne des Netzwerk-Gedankens weiter zu entwickeln.“
Aus der Zusammenarbeit entstand ab Frühjahr 2006 das große Projekt „Mobiles Labor“, dessen Finanzierung die Robert-Bosch-Stiftung sichert. „Ziel des Mobilen Labors zur Halbleiterforschung ist es, Schüler und Lehrer für physikalische Technologie zu begeistern und so den wissenschaftlichen Nachwuchs von morgen zu sichern. Das unter der Federführung von Prof. Dr. Hans-Christoph Mertins (Fachbereich Physikalische Technik) konzipierte Mobile Labor besteht aus einer Vakuum-Basiseinheit, in die zahlreiche einzelne „Experimente“ modular integriert werden. Damit ist es ein multifunktionales, jederzeit erweiterbares Labor. Es ist kompakt, transportabel und wird als „Wanderlabor“ in der zweiten Projektphase und nach Projektende im Unterricht der beteiligten Schulen dauerhaft eingesetzt werden. Hierfür werden vom Institut für Berufliche Lehrerbildung unter Leitung von Prof. Dr. Thilo Harth zusätzlich didaktische Materialien zur Vor- und Nachbereitung der Lehreinheiten erstellt. Die Grundidee des Projektes ist, dass Schüler und Lehrer mit Studierenden und Hochschullehrern gemeinsam arbeiten. Durch die Entwicklungsarbeit, ausgehend von den physikalischen Grundprinzipien bis hin zum funktionierenden Gerät wird somit die Atmosphäre eines wissenschaftlichen Forschungslabors erzeugt. Dazu eignen sich die Schülerinnen und Schüler der 10. – 13. Klasse außerhalb des regulären Unterrichtes in AGs den anspruchsvollen Stoff an und gewinnen einen erster Eindruck von der Arbeitsweise der Ingenieure und Naturwissenschaftler. Nach erfolgreichem Aufbau wird das Mobile Labor die Demonstration zahlreicher physikalischer Effekte sowie das freie Experimentieren und Erlernen der darauf basierenden Schlüsseltechnologien in der Halbleiterphysik ermöglichen. Die Experimente decken die Themen Elektronenphysik, Quantenphysik, optische Technologie, Halbleiterphysik, Atomphysik und Vakuumtechnologie ab. Die neuartige Ausstattung des Labors wird weit über die Standards an den Schulen hinausgehen.“
Das Mobile Labor ist seit Februar 2007 an den beteiligen Schulen, neben dem Gymnasium Borghorst dem Geschwister-Scholl-Gymnasium und dem Ratsgymnasium in Münster.
Im Laufe der Jahre sind weitere gelungene Beispiele der Zusammenarbeit zwischen der Schule und außerschulischen Partnern zu verzeichnen. Allen ist gemeinsam, dass im Gymnasium Borghorst aufgrund der positiven Erfahrungen eine große Offenheit für neue Kontakte besteht. Zu nennen ist z.B. das Denkwerk Geisteswissenschaften, das unter Förderung der Robert-Bosch-Stiftung Projekte zwischen den Fachschaften Evangelische Religion, Katholische Religion und Ge-schichte der Schule und dem Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster ermöglicht. Auch mit der VHS Steinfurt konnten weitere gemeinsame Vorhaben in Angriff genommen werden wie z.B. die Spanisch-Kurse für sprachinteressierte und begabte Schülerinnen und Schüler, die zusätzlich als Ergänzung zum schulischen Sprachenprogramm belegt werden können.
Die Persönlichkeitsentwicklung unserer Schülerinnen und Schüler steht im Fokus des Projekts Meisterwerker, das seit 2005 obligatorisch für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 von einem Team der Abteilung Qualitätsentwicklung und Evaluation des Fachbereichs Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster durchgeführt wird. Das Programm bereitet die Schülerinnen und Schüler durch Training der personalen und sozialen Kompetenzen (der „soft skills“) auf die nachschulischen Anforderungen von Wirtschaft und Universität vor. In der ersten von vier Einheiten rü-cken Selbstmanagement und Selbstpräsentation in den Mittelpunkt. Die zweite Einheit umfasst Kommunikation, Rhetorik und Körper-sprache, in der dritten Einheit werden Teambildung und Netzwerkorganisation trainiert, um schließlich in der vierten Einheit das Verhältnis der Arbeitsmarktorientierung des Individuums zur Organisation (Bewerbertraining, Grundlagen der Organisations- und Personalentwicklung) zu thematisieren. Parallel zu diesen Stufen werden die jeweiligen ökonomischen Fachtermini eingeführt. Mit diesem von allen Beteiligten äußerst positiv aufgenommenen Schulprogramm-Baustein schließt sich zwanglos wieder der Kreis zum Start des Modellvorhabens Selbstständige Schule: „Meisterwerker“ ist inhaltlich eng mit dem bereits sehr ausgefeilten Konzept der Studien- und Berufsorientierung (SBO) verknüpft und rundet es perfekt ab!
Ausblick
Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern hat sich für das Gymnasium Borghorst und seine Schülerinnen und Schüler als Erfolgsmodell entwickelt. Die Projekte ergänzen in idealer Weise das Schulprofil der Schule. Es steht daher außer Frage, dass die Anfänge, die im Modellvorhaben Selbstständige Schule gesetzt werden konnten, fortgeführt werden (müssen). Einerseits sind dafür die wertvollen Kontakte dauerhaft zu pflegen und andererseits in der innerschulischen Organisation stabile, verlässliche Strukturen erforderlich. Damit kann der enorme Arbeitsaufwand, der für die beteiligten Kolleginnen und Kollegen und Partner in den Institutionen mit den Projekten in der Entwicklungsphase zwangsläufig verbunden ist, auf längere Sicht reduziert werden.